Bauernhäuser im Maurine-Radegast-Land

Die ersten Belege von niederdeutschen Hallenhäusern gehen weit in das Mittelalter zurück, die Bauform kam mit den deutschen Einwanderern um die Mitte des 12. Jahrhunderts in unserer Region. Charakteristisch ist das große, mit Schilfrohr gedeckte Dach. Heute hat sich meist der Begriff des Reetdachs eingebürgert. Auf zwei parallel zueinanderstehenden senkrechten Balken, den Ständern, ruht dieses mächtige Dach und nimmt sogleich die Diele auf. Dieser als „Grot Däl“ bezeichnete Raum ist durch das große Einfahrtstor an der Front der Häuser zu befahren und liegt demnach an der Giebelwand, die dem Wohnende des Hauses gegenüberliegt. Neben dieser typischen Charakterisierung tritt aber ebenso häufig der Typ des Durchfahrtshauses auf, bei dem die Diele eine Einfahrt und eine meist kleinere Ausfahrt am rückwärtigen Giebel besitzt. Dann liegen die Stuben und Kammern zu beiden Seiten des hinteren Tores. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist das Rauchhaus in Möllin, das heute als Gaststätte zugänglich ist.

Stoffersches Haus in Thandorf
Stoffersches Haus in Thandorf

Grundsätzlich in der Abseite liegt die Küche des Hauses, die bei Bauernhäusern bis an die Schwelle des 19. Jahrhunderts ausschließlich ohne Schornstein war. Diese Rauchhäuser verfügten in der Küche über einen großen Funkenschutz, ein gemauerter Herdsockel, auf dem das offene Feuer brannte, war mit einem gemauerten Bogen versehen, der als Funkenschutz diente und die Herdstange aufnahm, an der die Kessel zum Kochen hingen. Durch ein Ofenloch in der Herdwand konnte der dahinter befindliche Stubenofen beheizt werden, womit Küche und Stube die einzig beheizbaren Räume waren.

Nur wenige Beispiele für diese Rauchhäuser haben sich erhalten, die meisten Bauernhäuser sind später mit Schornsteinen nachgerüstet oder neu errichtet worden. Dabei sind die verwendeten Materialien bis ans Ende des 19. Jahrhundert gleichgeblieben, Holz und Lehm sind die vorherrschenden Materialien neben dem Ziegel für die Ausfachung des Fachwerks und dem Schilfrohr für die Dächer. Nur sehr wenige Häuser des ausgehenden Mittelalters haben sich erhalten, sie verfügten grundsätzlich über eine wesentlich breitere Diele, da sich das gesamte wirtschaftliche und bäuerliche Leben auf der Diele abspielte und die beheizbare Stube noch unbekannt war. So hat die Diele des „Bechelsdorfer Schulzenhauses“ in Schönberg – es wurde 1517 errichtet – eine Dielenbreite von neun Metern. Heute ist hier ein Freilichtmuseum eingerichtet, die translozierte Hofanlage mit vier Gebäuden ist gleichzeitig das älteste Freilichtmuseum in Mecklenburg-Vorpommern.

Die wohl erschlossenste Dorfanlage mit erhaltenen Bauernhäusern und Scheunen besitzt das Dorf Grieben zwischen Schönberg und Rehna, hier zeigt sich an Scheunen und Bauernhäusern auch der für das ehemalige Fürstentum Ratzeburg typische Ratzeburger Schaugiebel. Über dem Einfahrtstor ist ein Giebeltrapez aus Fachwerk eingefügt, das kunstvolle Rauten und unterschiedliche Ziegelsetzungen aufnimmt. Ein weiteres Paradebeispiel für diese Schmuckform findet sich abseits der Route in Thandorf am sog. Stofferschen Haus, ein dreifacher Bauerntanz. Die Vielzahl der Bauernhäuser unserer Region ist als einzigartig zu beschreiben und sowohl der Sesshaftigkeit der Familien, als dem Mangel an Baumaterial zu DDR-Zeit zuzuschreiben. Armut ist eben doch der beste Denkmalpfleger.

Olaf Both, Leiter Volkskundemuseum Schönberg, 2021


Informationen

Im Volkskundemuseum Schönberg erhalten Sie weitere Informationen zum Thema Bauernhäuser.

www.museumschoenberg.de

Öffnungszeiten

Dienstag bis Donnestag: 11:00 – 17:00 Uhr
Samstag: 13:00 – 17:00 Uhr

oder nach Vereinbarung

Kontakt

Volkskundemuseum Schönberg
Am Markt 1
2392 Schönberg
Telefon: 03 88 28 / 34 89 93
museumrz@aol.com

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